Stroh, Rinde oder Schindel? 

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Wie kommen Archäologen eigentlich zu ihrem Wissen über das Aussehen und die Beschaffenheit keltischer Dächer, wo bei Ausgrabungen doch nur ein spärlicher Überrest der Häuser zutage tritt?

Tatsächlich nimmt der interpretative Charakter eines historischen Hausmodells mit jedem Zentimeter an Höhe zu und es gibt Variablen bei der Errichtung von keltischen Gebäuden, bei denen wir im Unsicheren tappen. Doch es sind nicht immer nur die Hinterlassenschaften im Boden, also die Befunde, welche Aufschluss geben können.

Bevor es an den Bau der Hausmodelle geht, versuchen wir alle verfügbaren Quellen auszuschöpfen. Neben den im Boden erhaltenen Überresten keltischer Gebäude, ist es vor allem das Wissen über das Klima und die Ressourcen einer Gegend, die Aufschluss über das verfügbare Baumaterial geben. Aus der Eisenzeit kennen wir ebenfalls Darstellungen von Hausgrundrissen auf Felsritzbildern oder einfache Graffiti auf Keramik. Wichtige Quellen sind auch die technologischen Errungenschaften der Eisenzeit, neue Werkzeuge, welche die Holzbautechnik vorantrieben und völlig neue Wege im Hausbau eröffneten. Wir finden zahlreiche Überreste dieser Werkzeuge, sei es in Form von Bruchstücken oder in Form von Bearbeitungsspuren an Holzstücken. 


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Was die Möglichkeiten des Hausbaus in keltischer Zeit betrifft, tappen wir also keineswegs im Dunklen. Als besonders wertvoll hat sich die eisenzeitliche Fundstelle im Ramsautal am Dürrnberg bei Hallein herausgestellt, wo sich im Feuchtboden zahlreiche Bauhölzer und sogar mehrere Reste von gespaltenen Nadelholzschindeln bis zum heutigen Tag erhalten haben.

Um ihre Häuser mit Dächern zu versehen standen den Kelten grundsätzlich mehrere Materialien zur Verfügung.

Dachhaut aus Rinde

Nicht alle Handwerkergebäude waren umseitig mit Wänden versehen, sondern konnten auch mit seitlich offenen Schutzdächern angelegt sein. Hier konnte das Tageslicht bei gutem Schutz vor Regen und starker Sonnenstrahlung optimal für die Arbeit ausgenutzt werden. Ein derartiges Schutzdach wurde nach archäologischen Vorbildern aus Schwarzenbach für das Modell einer Keramikwerkstätte angewandt. Die Dachhaut selbst besteht hier aus Fichtenrindestücken, deren Größe jeweils mehr als einen Quadratmeter beträgt. Diese wurden im Frühjahr, wenn die Bäume voll im Saft stehen, vorsichtig von frisch gefällten Fichten abgezogen. Einfache Wirtschaftshütten oder saisonale Unterstände hätte man problemlos mit Baumrinde decken können, allerdings muss man dieses anfällige Material bereits nach 3 bis 4 Jahren ersetzen. Somit kam es eher nicht für Handwerker-, Stallgebäude oder Wohnhäuser in Betracht.

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Dachdecken mit Schilf und Stroh

Eine Deckung aus Lattenhölzern und Schilfbündeln findet sich bei unserem Wirtschaftsgebäude. Hier wurden Schilfhalme in Bündeln aufgelegt und in mehreren sehr dichten Lagen aufgebunden. Zur Befestigung der Schilfbündel hat man in der Eisenzeit wohl auf gedrehte Schnüre aus Linden- oder Ulmenbast oder auf gewässerte Weidenruten zurückgegriffen. Die Deckung von Wohnhäusern, Handwerker- oder Stallgebäuden mit Schilf- oder Strohdächern wäre durchaus vorstellbar. Jedoch gab es im Umkreis der keltischen Siedlung von Schwarzenbach kaum nennenswerte Feuchtgebiete, wo man Schilf in größeren Mengen ernten hätte können. Für die Deckung eines Hauses mit den Ausmaßen unseres neuen keltischen Hausmodells hätte man etwa 50 m³ Schilfmaterial aus großer Entfernung heranschaffen müssen. Die Beschaffung einer vergleichbar großen Menge an Stroh wäre da schon plausibler. In keltischer Zeit hätte dieser Rohstoff jedoch eine wichtigere Funktion gehabt: mit Stroh konnte man das Heu strecken und so größere Viehbestände durch den Winter bringen. Es wurde ebenso als Einstreu in Ställen und Wohnhäusern verwendet und es ließen sich außerdem warme Betten oder Gerätschaften wie Körbe daraus fertigen.

Schindeldächer

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Mit großer Wahrscheinlichkeit war der Großteil der keltischen Häuser in Schwarzenbach ursprünglich mit Holzschindeln eingedeckt. Nadelholzarten wie Tanne oder Lärche, aber auch Harthölzer wie Buche oder Eiche lassen sich hervorragend zu dünnen Brettern spalten. Es bedarf jedoch großer Erfahrung und Fachkenntnis, um die geeigneten Stämme zu erkennen und diese zu bearbeiten. Die benötigten Stämme mussten völlig gerade und möglichst astfrei gewachsen sein und dabei einen Durchmesser von mindestens 60 cm aufweisen.

Für diese Variante der Dachdeckung haben wir uns bei den Modellen der beiden Wohngebäude, des Speicherbaus und der Werkstatt entschieden. Hier wurden die Dachschindeln aus Lärchenholz mit geschmiedeten Eisennägeln in doppelten, versetzten Lagen aufgenagelt. Für die Deckung unseres großen Wohnhauses haben wir eine beachtliche Fläche von etwa 140 m² mit gespaltenen Holzschindeln aus Lärchenholz eingedeckt. Was die Deckung unserer neuen Hausmodelle in Schwarzenbach betrifft haben wir uns ebenfalls für diese bewährte Variante entschieden.